Highline Expedition Kroatien: Was geht in Omiš?

Genug gewartet! Der Trainingsstand konnte kaum besser sein, die Motivation war ebenso auf einem Höchststand, das Geld war abgezählt, die Ferien standen vor der Tür und das Reiseziel war entschieden: Omiš in Kroatien. Auf einer Sommertour nach Makarska im Jahr 2018 hatte Rudi diesen malerischen Ort zwischen Felsen, Fluss und Meer entdeckt und seitdem nicht mehr aus dem Kopf bekommen. „Wenn da keine Highlines möglich sein sollten…“. Es dauerte aber noch zwei Jahre, bis das Projekt wirklich angegangen wurde.
Im Oktober 2020 war es soweit, auch wenn der Plan relativ spontan entstand. Die Frage war, ob man nicht in den Herbstferien noch mal gemütlich zum Highlinen in die Sonne fahren könnte. Mit Lust und vor allem Zeit blieben dann nur noch Max und Rudi übrig, die auf Exkursion wollten.

Die harten Fakten waren schnell geklärt:

Das Ziel:
Begehung einer Highline mit fantastischem Ausblick von den Bergen aufs Meer.
(Und ausbaldowern, ob da Potenzial für mehr ist.)

Der Weg:
Marathonfahrt nach Kroatien, Möglichkeiten auskundschaften, Material auf die Berge schleppen, die Line aufbauen.

Das Team:
Max und Rudi

Die Ausrüstung:
Aus der gesamten Region um Leipzig zusammengeräubert.

Daten zur Line:
– 175m
– Anker nah: Schlingen: 6m Main, 4m Backup, 5 Deltas, 5m Padding
– Anker fern: 6m Main + 1,5m Verlängerung, 3m Backup + 1m Verlängerung, 5 Deltas, 2 Schäkel, 8m Padding
– Position (nearside Anker): 43.448731,16.684841 (https://maps.app.goo.gl/1QwFQ3cakwdJZotBA) („Unterhalb der vier Kiefern. Aye!“)

Die Ergebnisse:
– neue persönliche Bestleistung von Rudi: 175m (Line durchgelaufen)
– neue persönliche Bestleistung von Max: ca. 130m
– Benennung der Line: „Piratenschatz / pirate treasure / gusarsko blago“

Ein Schatz im Piratennest Omis

Der Weg hatte sich also gelohnt! Tatsächlich war es keine ausgemachte Sache, dass wir dort wirklich eine ansprechende Line hingekommen würden. Die Fotos von Google Maps ließen hoffen, aber die genauen Bedingungen vor Ort (Distanzen, geeignetes Gestein, Zugänglichkeit) ließen sich nur abschätzen. Es gehörte also eine Menge Optimismus (vielleicht auch Naivität) dazu, sich auf diese Expedition einzulassen.

Der erste Tag (Montag) ging komplett für die Autofahrt drauf. Vollgepackt und gut gelaunt starteten wir 7:30 Uhr in Leipzig und düsten 1300 km in den Süden. Nach dreizehn Stunden Fahrt mit etlichen Podcasts, einigen Pausen und viel Roadtrip-Feeling kamen wir völlig fertig an und übernachteten unter dem nächstbesten Felsvorsprung in einen Dorf in der Nähe des ausgesuchten Spots.
Am zweiten Tag ging es darum, geeignete Stellen für die Anker zu finden und zu bohren. Das schwierigste dabei war, dass es auf den Bergrücken keine Wege, nicht mal Trampelpfade, gab und wir die ganze Zeit nur über Stock und Stein stolperten. Wir laserten einige Entfernungen und begutachteten die dortigen Steine für die Bolts. Am Ende mussten wir für die Line einen Kompromiss eingehen. Gern hätten wir weiter exponiert aufgebaut, aber da die Verbindung dort deutlich schwieriger geworden wäre und wir kaum genügend Band für eine längere Line hatten, entschieden wir uns, für eine Variante mit 175 Metern Länge und leichter zugänglichen Ankerpunkten.
Den dritte Tag verbrachten wir komplett mit dem Aufbau der Line: Material den Berg hoch schleppen, Schlingen legen, Verbindung mit der Tagline herstellen, Band über das Tal ziehen, einhängen, spannen und hintersichern.

Am vierten Tag (Donnerstag) ging es dann endlich mit dem Balancieren los. Und beim dritten Versuch von Rudi klappte es auch schon mit dem Durchlaufen. Damit konnte die Line benannt werden. In dieser Stadt, die vor vielen Jahrhunderten einmal ein Piratennest war, lag der Name natürlich nahe: „Piratenschatz“.

Ab Donnerstag Nachmittag hatten wir dann durchgehend Besuch von einigen Kroaten.
Samstag mussten wir eine Pause einlegen, da es fast die ganze Zeit regnete. Nach den Anstrengungen der vorangegangen Tage war diese aber mehr als willkommen. Den Vormittag nutzen wir noch für einen Klettersteig zur Burg über der Stadt. Am Nachmittag verkrochen wir uns in unsere Zelt und schliefen bis zum Abend.

Sonntag und Montag Vormittag war dann noch einmal Laufen angesagt, bevor es an den Abbau ging – der noch einmal unerwartete Schwierigkeiten mit sich brachte. Wir hatten unsere Rechnung ohne den Wind gemacht! Was die Tage zuvor immer nur eine leichte Brise war, entwickelte sich am Montag fast zu einem Sturm. Der Durchhang der Line stand waagerecht über dem Tal. Die Zugkräfte auf der Line waren enorm. Ohne die Hilfe der Kroaten hätten wir ins dieser Situation den Abbau nicht ohne Schaden am Band oder den Ankern hinbekommen. Am Ende konnten wir aber geschafft und glücklich vom Berg steigen und alles wieder für die lange Rückfahrt ins Auto packen.

Und wie war nun der Spot? Hier eine kleine Bewertung:

Instagramability (oder: Wie schön ist der Spot?):
Epic! Sowohl vom Anker als auch der Line hat man einen spektakulären Ausblick auf die Altstadt, die gemütlich an den Berg gelehnt ihre Füße im Meer badet. Von hoch oben sieht man geschäftigen Treiben und kann gleichzeitig die Ruhe der Natur genießen. Eine milde Brise verbreitet den Duft von Kiefern und wildem Oregano. Die schroffen, grün gesprenkelten Felsen ragen in den blauen Himmel. Das Meer glitzert in der Sonne und am Horizont erstrecken sich die Inseln Dalmatiens.
⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Anfahrt von Leipzig:
Schon krass weit. Das geht nicht mal eben so am Wochenende.
⭐️●●●●

Exponiertheit der Line:
Blick aufs Meer! Muss man mehr sagen? Mehr Meer geht kaum. Naja, mit einer etwas längeren Line an einer weiter vorn gelegenen Felskante… Aber trotzdem.
⭐️⭐️⭐️⭐️●

Zugänglichkeit:
Ganz schön ätzend! In dem Tal zwischen den beiden Felskanten, an denen die Anker liegen, gibt es zwar einen kleinen Trampelpfad, aber der ist tierisch steil und die meiste Zeit muss man sich durch dornige Büsche, stacheliges Gras und über scharfkantige Gesteinsbrocken kämpfen. Mit 40 kg Material auf dem Rücken ist das nur bedingt spaßig.
Aber vielleicht ist es auch eine Sache der Übung. Wir sind ja ganz schön verwöhnt in Leipzig…
⭐️⭐️●●●

Möglichkeiten für andere Lines:
Ne Menge!!! Mehr Exposure, mehr Höhe, zwischen 150 Metern und 250+ Metern ist alles möglich. Und das allein in dem Tal, in dem wir die Piratenschatz gebaut haben. Um die gesamte Stadt gibt es weitere Felsen und Canyons, zwischen denen zahlreiche Lines gespannt werden können. Sogar über den Dächern der Stadt. Ein absolutes Paradies!
⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Umgebung:
Die Umgebung besticht mit zahlreichen Möglichkeiten für einen Ausgleich zum Highlinen:
– Kulturelle und kulinarische Kostbarkeiten in der Altstadt von Omiš
– Sonnengefluteter Strand in Laufweite vom Zeltplatz und dem Tal
– gemütlicher Zeltplatz mit tippitoppi Anlagen
– zahlreiche Wanderrouten und Klettersteige auf die nahe gelegenen Felszacken und Berggipfel
– unzählige Kletter- und Boulderrouten
– und für das Partyvolk liegt Split ne halbe Autostunde entfernt
⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️

Wetter Ende Oktober:
Nachts fürchterlich kalt. Am Tag angenehm warm bis heiß mit gelegentlicher Brise vom Meer.
⭐️⭐️⭐️⭐️●


Und was am Ende nicht vergessen werden darf:

Haufenweise Dank und Lobpreisung gilt den Unterstützer*innen, durch die diese Exkursion erst möglich wurde:

– David, der selbstlos sein Auto zur Verfügung stellte (was sich dazu noch erste Sahne fahren ließ) ohne das wir gar nicht nach Kroatien gekommen wären.
– Linus, dessen Entfernungsmesser angezeigte, wo wir die Line aufbauen konnten.
Marcel, dessen Akkubohrmaschine die besten Löcher für die Anker bohrte.
– Peter, dessen Tagline und Funkgeräte den Aufbau erheblich erleichterten.
– Felix und Jakob aus Halle, ohne deren 200m Marathon wir kein Backup gehabt hätten.
– Micha aus Leipzig, der die fehlenden Deltas und eine lebensversichernde Leash beisteuerte.
– Micha aus Berlin, ohne den Rudi keine Sommertouren durch Kroatien machen würde, womit der Spot unentdeckt geblieben wäre.